International Chess Tournament Vlissingen
im Herzen von Zeeland, Niederlande
vom 01.-09.08.2025
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Die knapp 5,5h lange Anreise inklusive 2 kürzerer Pausen verlief bis auf einen kleinen Stau rund um Antwerpen reibungslos. Eine kurze Umleitung bei Hasselt führte Manuel und mich in eine Art Vorstadt zu der der Begriff „entschleunigend“ wie die Faust aufs Auge passte und uns die Woche über als Motto dienen sollte.
In Oost-Souburg angekommen, wobei wir uns bis heute nicht ganz klar darüber sind ob es sich dabei um einen Stadtteil von Vlissingen oder ein alleinstehender Ort handelt, erstürmten wir das Hotel, also so wirklich. Ein auf Augenhöhe angebrachtes Schild in niederländischer, deutscher und englischer Sprache mit „Bitte klingeln“ war für unsere hochmotivierten Augen nicht mehr als nebensächliche Deko und so standen wir ehe wir uns versahen bereits im Wohnzimmer der Familie die das Hotel betrieb.
Da das mit einem lächeln abgetan wurde und wir freundlich gebeten wurden der Dame des Hauses zu folgen, ahnten wir bereits dass dies für uns eine entspannte und entschleunigende Zeit werden sollte.
Unser Zimmer war zwar etwas klein, aber für unser Vorhaben völlig ausreichend und dazu gab es noch einen kleinen zu unserem Zimmer zugehörigen Außenbereich mit zwei Liegestühlen sowie einem Tisch, was uns mittags als Vorbereitungs-Terrasse und abends als nach-der-Runde-erst-mal-entspannen-und-auf-die-Auslosung-warten-Terasse nach den Partien dienen sollte.
In den Informationen zum Turnier stand:
„Ukrainian grandmaster Pavel Eljanov will give the traditional simultaneous exhibition on Friday evening. Prior to the simul, the drawing of lots for the first round will also take place.“
Was wir mit unseren messerscharfen Verständen als „Vor der Simultan-Veranstaltung wird die erste Runde ausgelost“ interpretierten und somit schlussfolgerten, dass die Anmeldung noch davor stattfinden musste.
Da wir den ganzen Tag bereits im Auto gesessen hatten, entschieden wir uns die 25-30 Minuten vom Hotel entlang eines „Kanaals“ zum Spielort zu laufen und mal zu schauen was es damit so auf sich hat.
Diesen Spaziergang sollten wir in den kommenden Tagen noch häufiger machen und dabei auch immer mehr Einblicke in die Verkehrsstrukturen und insbesondere den dazugehörigen Prioritäten Vlissingens bekommen. Denn für jedes kleine Segelschiffchen wurde sämtlicher Auto-, Fahrrad- und Fußverkehr über die drei uns bekannten Brücken die über den „Kanaal“ führten gestoppt und je nach Bauweise fuhren die Brücken dann entweder hoch oder drehten sich um 90° um die Mittelachse herum. 2 Minuten später ging alles wieder seinen gewohnten Gang – 2 Minuten entschleunigen für halb Vlissingen weil jemand bisschen Boot fahren möchte – Faszinierend und zugleich symbolisches Sinnbild für die Region.
An der HZ University of Applied Sciences angekommen waren wir doch etwas überrascht eine menschenleere Mensa vorzufinden, die in den kommenden Tagen als Spielsaal dienen sollte. Einen mutigen Schiedsrichter konnten wir nach kurzer Suche doch noch finden, der uns etwas verdutzt mitteilte, dass die Anmeldung (wie es auch in der Ausschreibung steht) erst am Folgetag stattfinden wird.
Welche „lots“ da jetzt vor dem Simultan „gedrawt“ wurden bleibt wohl für immer ein äußerst streng gehütetes Geheimnis der Ausrichter – die erste Runde war es auf jeden Fall schon mal nicht, so viel steht fest.
Update: Es wurde die Farbverteilung von Runde 1 ausgelost. Naja.
Wir entschieden uns dann die kulinarischen Feinheiten Vlissingens unter die Lupe zu nehmen und nach unserem Mahl noch mal zum Kiebitzen beim Simultan vorbeizuschauen. Dort trafen wir auf bekannte Pfälzer, unter anderem Simon Frohnhäuser und Estelle Morio die witzigerweise unabhängig von uns das gleiche Hotel gebucht hatten.
Der Spielsaal
hinten links die Livebretter
vorne weitere 120 Bretter
Der zweite Tag und somit erster Tag am Brett
begann für uns pünktlich um 9 Uhr, sodass wir noch das Frühstück, welches bis 10 Uhr offen war, in Ruhe genießen konnten. Hier etablierte sich auch bereits die erste kleine Tradition die bis zum letzten Tag durchgezogen wurde:
Orangensaft, 2 Tassen Kaffee, 1 Rosinenbrötchen, wahlweise 1 Brötchen oder Croissant mit Marmelade, Nutella oder Käse. Natürlich entweder Marmelade, oder Nutella oder Käse – wir sind ja keine Barbaren.
Die Dame des Hauses kümmerte sich während des Frühstücks immer rührend um uns, stellte uns eine Karaffe frisch gepressten Orangensaft auf unseren Stammplatz im überdachten Außenbereich, füllte immer gut gelaunt unsere Kaffeetassen nach und erkundigte sich hin und wieder nach unserem Stand im Turnier. Eine wirklich außerordentlich positive Erfahrung und täglich aufs neue ein schöner Start in den Tag. B&B Pavillon in Oost-Souburg, falls da mal jemand hin möchte.
Kurz vor 15 Uhr konnten wir unsere Bemühungen vom Vortag zum Abschluss bringen und offiziell unsere Anmeldung zum Turnier bestätigen. Danach ging es zum Griechen, einem Tipp von Simon und Estelle vom Vorabend folgend, bei dem es uns sehr gut schmeckte. Gerade als wir bezahlen wollten schlenderten Werner Weller (Manuels Vater) und Lena Mader auf uns zu und gesellten sich kurzerhand zu uns. Mit dem beachtlichen Remis vom Vortag im Simultan gegen den Top50 GM Eljanov hatte bereits vor dem Turnier einen Riesenerfolg in der Tasche und somit hatte sich die Reise bereits jetzt schon gelohnt.
Im Turniersaal angekommen wunderte ich mich weshalb ich an Brett 35 gelost wurde, war ich doch an 34 gesetzt. Die Erklärung folgte allerdings auf den Fuß, bzw. vielmehr im elektronischen Rollstuhl. Ein alter bekannter aus dem Turnier in Maastricht 2023 rollte ans Nebenbrett, Brett 34. Da dieses Brett nah an der zu den Toiletten und dem Ein- und Ausgang führenden Rampe und gleichzeitig von allen Richtungen leicht zufahrlich(?) war, wurde dieses Brett für „Kalle“ sozusagen reserviert. Kalle, ein immer gut gelaunter und freundlicher Schachspieler, der einfach das beste aus seiner Situation macht und bei solchen Turnieren dann eben auch nur einer von vielen Schachbegeisterten ist, die gekommen waren um sich zu messen. Und das dieses mal so richtig, also so richtig richtig.
Er schnappte sich insgesamt 3 IMs die statt an den Livebrettern nun an Brett 34 spielen „mussten“ und remisierte dabei gegen 2 der 3 IMs! Mit einer Performance von 2265 und +36 Elo ist er sicherlich zufrieden. Wir fieberten Abends fast noch mehr seiner Paarung entgegen als unserer. „Ob er sich auch einen GM da runter ziehen wird?“ – Nein, leider blieb es bei 3 IMs und 1 FM.
In der ersten Runde fuhr Manuel einen ungefährdeten Sieg ein, während ich gegen einen nominell deutlich schwächeren völlig unter die Räder kam. Vermutlich aufgrund meiner deutlich höheren Elo verließ meinen Gegner aber dann der Angriffsmut in Gewinnstellung und er lenkte für mich glücklich in die Zugwiederholung ein. Gerade noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen.
WaZ gewinnt
Tag 3
und damit einhergehend der „stressigste“ Tag aufgrund der zwei zu spielenden Runden (Runde 2 und Runde 3) machte mir bereits morgens zu schaffen. Traditionell hole ich aus zwei Runden am Tag nie mehr als 1,5 Punkte und in Anbetracht dessen, dass ich aufgrund meines Remis in Runde 1 heute sicherlich auf zwei schwächere Gegner treffen würde, griff ich zum aller letzten mir zur Verfügung stehenden Mittel: 3 Gläser frisch gepressten Orangensaft beim Frühstück, neuer Kuli, Pulli statt T-Shirt.
Ein neuer Tag, ein neuer Andy – der stressigste Tag möge beginnen!
Aber erst noch mal ins Bett, sind ja schließlich noch 90 Minuten bis zum Start der „früh angesetzten“ zweiten Runde um 11:30 Uhr.
Manuels junger belgischer Gegner hielt sehr gut mit und rechnete auch im Endspiel genau – ein relativ ereignisloses Remis mit kaum verpassten Chancen auf beiden Seiten – ernüchternd. Ich wickelte früh in ein Endspiel mit gleichfarbigen Läufern ab, in dem nur ich besser stehen konnte und spielte dadurch risikofrei auf 2 Ergebnisse, was zum vollen Punkt reichen sollte.
WaZ erhält entscheidenden Vorteil
Beim Blicke durch den Spielsaal schweifen viel uns dabei eine kleine Kuriosität auf:
Von den insgesamt 243 Teilnehmern nahmen 46! Teilnehmer ein Bye in der „frühen“ Runde. In der Abendrunde gesellten sich dazu nochmals weitere 23 Teilnehmer. Das bedeutet fast jeder dritte Teilnehmer hat sich an dem Tag dazu entschieden, dass 2 Runden am Tag zu viel sind – Faszinierend! Das sagt auch wirklich viel über die Mentalität in der Region aus, im positiven Sinne. Lieber langsam, achtsam und in Maßen, als überhastet, schnell und zu viel. (Ich erspare euch das „entschleunigend“ mal an der Stelle)
In Runde 3 bekam ich einen eben solchen Gegner, der den Tag langsam anging und statt um 11:30 Uhr erst um 18:30 Lust auf Schach hatte – mir soll’s recht sein.
SaZ gewinnt
Meine Partie war erneut ein recht risikofreier Sieg mit Spiel auf 2 Ergebnisse aus der Eröffnung heraus. Daher möchte ich hier lieber den Fokus auf ein anderes Duell lenken: Das Nebenbrett.
Manuels junger belgischer Gegner aus der „frühen“ Runde, den wir beide als äußerst nett und zuvorkommend erlebt hatten, spielte dort gegen den Kaugummi schmatzenden FM Unsympath, einen Brettnachbarn den ich noch häufiger neben mir sitzen haben sollte.
Als FM Kaugummi-Schmatzi sich in eine Verluststellung manövriert hatte, war er wohl mit sich und vor allem der Welt höchst unzufrieden. Das Kauen wurde energischer, das Schmatzen lauter, das Füße wobbeln dramatischer und zu allem Überfluss wagte sich sein Kontrahent auch noch während des Überlegens (wohlgemerkt unter dem Tisch, also außer Sichtweite) mit einem geschlagenen Bauern zu spielen. Oh du böse Welt, zu viel ist zu viel, und so setzte FM Unsympath dem Treiben ein jähes Ende indem er halb sitzend, halb stehend, mitten in der Konzentrationsphase seines Gegners, über das Brett und den Tisch hinweg eben diesem Gegner den Bauern aus den Händen klaubte und wenig sorgsam neben dem Brett deponierte. Er begleitete das ganze mit einem energischen „Stop it!“ ehe er sich wieder in seinen Stuhl sinken ließ.
Ein vermeintlich gestandener Mann in seinen 40ern nimmt einem Kind sein Spielzeug weg. Eine Unart die ich nur schwer ertragen konnte. Insbesondere da es den jungen Gegner so aus dem Konzept brachte, dass dieser tatsächlich die fast schon sicher gewonnene Partie doch noch verlor. Was FM Schmatzi Schmatz zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ahnte waren 2 Ereignisse die ich mir merken würde. Zum einen seine absolut fehlende Schach-Etikette, zum anderen sein dezentes Nase rümpfen und leichtes wegdrehen als ich meinen Kaffee zwischen ihm und mir platzierte.
Ich nehme es mal vorweg: Ich hatte noch 3 weitere male die zweifelhafte Ehre neben ihm zu sitzen und so genoss ich noch 3 weitere male genüsslich schlürfend, sprich an die Schmatzgeräusche angepasste Lautstärke, einen Kaffee den ich zwischen ihm und mir platzierte und aus völlig unerfindlichen Gründen blieb der letzte Schluck gerne auch mal noch etwas länger in der Tasse zurück.
Um einen weisen Mann zu zitieren: Ich bin nicht nachtragend, aber ich vergesse nicht.
Manuel überspielte seinen Gegner bereits in der Eröffnung, konnte dann aber ärgerlicherweise den Sack nicht zumachen und musste erneut die Punkteteilung akzeptieren. Damit stand er bei 2/3, ich konnte mich auf 2,5/3 nach vorne kämpfen.
Die Doppelrunde 11:30 Uhr + 18:30 Uhr machte mir deutlich weniger zu schaffen, als die Doppelrunden bei Turnieren in Deutschland, welche üblicherweise um 10 Uhr + 16 Uhr ausgetragen werden.
Am vierten Tag,
dem Tag nach dem „stressigsten“ Tag mussten wir erst mal wieder entspannen und unser Tempo an die entschleunigende Umgebung anpassen – 2 Stunden am Strand liegen und von der Sonne (im wahrsten Sinne) verbrennen lassen. Ganz kurz war ich dann auch mal Knietief im Wasser bis ich eine Qualle entdeckte die auf mich zu schwamm und damit meinen internen Navi die schnellste Route zurück zum Strand berechnen ließ. Danach zum ersten mal seriöse Vorbereitung, Gegner ist 16 Jahre alt, bereits seit 2023 Internationaler Meister, Elo 2460, ich hab dummerweise den Anzugsnachteil, aber er spielt Caro-Kann, da weiß ich immerhin bisschen was.
So weit so gut. Mir fiel dann ein Gespräch mit André Bold ein in dem er mir erzählte wie er von IM Perske im Caro-Kann richtig vermöbelt wurde – jetzt hatte ich auch meine Musterpartie.
Gut vorbereitet, schön entspannt ging es dann mit einem Verdauungsspaziergang im Rücken ans Brett gegen den Jungspund. Dieser wirkte bereits vor der Partie äußerst genervt und gelangweilt, was sich auch im Laufe der Partie nicht ändern sollte. Tolle Erfahrung so etwas. Man fährt knapp 450km um sich mit den richtig guten zu messen und dann sind die genervt wenn sie gegen den gemeinen Pöbel ran müssen. „Ob der überhaupt Spaß am Schach hat? Naja, dem geb‘ ich“ dachte ich mir und dann läuft der mir auch tatsächlich durch zweifache Zugumstellung genau in die Vorbereitung rein. „Hab ich dich! 12. … Le7 ist der Hauptzug, alles andere ist schon bei +0.6. Die Ideen kenn‘ ich, mit La3 die Läufer tauschen, Db1 und Dc3 sind meistens einfach gute Abwartezüge, Zentrum öffnen ist meistens gut, ansonsten geht’s mit b4, b5, a5 vorwärts.“
Stellung nach dem Schock 12. … c5!
Wie behält Weiß die Initiative?
Retrospektiv betrachtet wenig überraschend, in dem Moment aber völlig unerwartet spielt er nach 5 Minuten überlegen eine Neuerung die meines Wissens zuvor noch nicht gespielt wurde: 12. … c5!? Und wenn man die Engine etwas länger als ich rechnen lässt, ist das auch der beste Zug in der Stellung. Wusste ich natürlich nicht. Ich war in „den Zug bestraf‘ ich“-Modus und riss mit einem Zug alles ein was ich vorher so schön aufgebaut hatte. 2 der 3 logischen Antwortzüge von ihm hatte ich auch richtig berechnet und eingeschätzt, nur den stärksten natürlich nicht. Auch das wusste ich hier und jetzt noch nicht. Wie blöd das von mir war wurde mir erst 6 Züge später bewusst. Bis Zug 24 war die Stellung dann zwar objektiv noch okay, subjektiv aber hing sie am seidenen Faden und je mehr ich rechnete, desto weniger gefiel mir der Trümmerhaufen von Stellung vor mir und desto verzweifelter wurde ich bei meinen Entscheidungen. So kam es wie es kommen musste wenn die Zeit knapp wird, ich verrechnete mich bei einer eigentlich simplen Abwicklung in rekordverdächtiger Manier auf so viele Arten, dass ich mir heute nicht mehr sicher bin ob ich überhaupt gerechnet habe. Die Stellung war aufgabereif, auch wenn ich das erst einige Züge später mit mir vereinbaren konnte.
12 Züge abgekupfert, 1 Zug selbst gemacht, 28 Züge ums überleben gekämpft – im Grunde nix gezeigt, tolle Wurst. Dafür wurde ich mal mit einem Metalldetektor gescannt, an meiner Leistung auf dem Brett kann das aber nicht gelegen haben.
Manuel hatte seinen Gegner ab dem frühen Mittelspiel komplett im Griff, ließ dann aber ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern (+Türmen) zu, welches gar nicht so leicht zu gewinnen ist. Sein Gegner leistete aber auch nur bedingt Gegenwehr ehe er viel zu schnell eine massive Änderung der Struktur zuließ. Irgendwann macht sich die Erfahrung dann doch erkennbar, auch wenn es nur darum geht zu verstehen wann man in die Stellung reinschauen muss. Somit ein risikoloser Sieg und eine kleine Chance für ein Livebrett für Manuel mit 3 aus 4.
05.08.2025, ein denkwürdiger Tag der für mich in die Annalen des Turnierschachs eingehen wird.
Aber fangen wir morgens an, also das was für uns morgens war: 11:30 Uhr.
Mit 3 aus 4 und 2,5 aus 4 sind wir beide nur bedingt happy, der Orangensaft hat augenscheinlich auch seine Magie verloren und mein Kulli-Pulli-Wechsel ging wohl auch irgendwie nicht so ganz auf. Es musste eine Veränderung geben, eine große Veränderung, eine Veränderung die alles verändert – frischer Ingwer-Tee, bzw. wie wir lernen sollten „Gember-Thee“ war die Lösung für all unsere Probleme, was auch sonst.
Nachdem wir uns mit „Gember“ eingedeckt hatten und somit eine Tradition aus Maastricht 2023 wiederbelebten, nahmen wir uns zum Ziel den Tag langsam angehen zu lassen… also fast noch langsamer als am Strand in der Sonne zu brutzeln. Ab nach Zoetelande und im Schneckentempo durch die Touristengasse flanieren! In Anbetracht dessen, dass wir uns am Vortag schön verbrannt hatten, hielten wir es für ratsam Sonnencreme und After-Sun in unser Arsenal aufzunehmen und hielten danach Ausschau. Was wir dabei nicht so ganz bedacht hatten, war unser aktueller Standort:
Zoetelande, deutscher Touristen-Hotspot in Zeeland, direkt am Strand. Sonnencreme scheint wohl etwas zu sein was die Deutsche häufiger beim Packen vergessen und sich dann vor Ort beschaffen müssen. Daher sind die Preise dann auch… sagen wir mal… an eben diese Situation angepasst. Mit 40€ für 150-200ml hätte man fast noch den Ladenbesitzer über den Tisch gezogen und so verzichteten wir vorerst auf den eigentlich nötigen Sonnenschutz zu Gunsten unseres Portemonnaie-Schutzes. Nach knapp 2 Stunden hin flanieren und zurück flanieren, einigen Andenken sowie Pulli und Badelatschen später, ging es zurück ins Hotel, wahlweise auf den Liegestuhl im Vorbereich oder ins Bett im Zimmer mit Laptop auf den Knien und ran ans vorbereiten.
Manuel konnte seine Partie gewinnen, war aber dennoch sehr unzufrieden mit dem was er gezeigt hatte. Mit 4 aus 5 war ihm allerdings damit einer der „großen Jungs“ am Livebrett nahezu sicher. Ich hatte Manuels Gegner aus der zweiten Runde erwischt, der in Runde 3 gegen FM „Ich-reiß-dir-die-Figuren-aus-der-Hand-weil-ich-Kacke-stehe“ verloren hatte.
Meine Vorbereitung bestand ausschließlich aus 1. d4, was er sowohl gegen Manuel, den FM, als auch in allen online zu findenden Partien gespielt hatte. Ich war deshalb nicht wenig überrascht als er mir 1. e4 vorsetzte. „Hat er sich die Partie aus Runde 1 angeschaut in der ich völlig im Hemd stand? Welche Partien sind von mir online die ihn zu e4 verleiten könnten? Soll ich einfach mal Caro-Kann auspacken? Oder 1. … e5? Ach was, dafür bin ich zu stolz, zeig mir was du vorbeireitet hast!“ Najdorf, positioneller Najdorf, er hat einen positionellen Najdorf vorbeireitet.
Mein zweigeteilter Versuch ihn früh aus der Vorbereitung zu bringen, dafür aber eine etwas schlechtere Stellung zu spielen funktionierte ziemlich genau zur Hälfte, und zwar dahingehend, dass ich jetzt eine schlechtere Stellung spielen musste in der ich schlechter stand und für den Rest der Partie schlechter stehen werde.
Überraschung… er kannte die Stellung zwar nicht, fand aber den (zugegebenermaßen offensichtlichen) richtigen Plan und so wurde aus schlechter stehen recht bald richtig schlecht stehen. Ich habe mich danach zwar relativ gut verteidigt und bin auch mit meinem Spiel ab diesem Punkt zufrieden, aber die Entscheidung in so etwas reinzugehen war trotzdem Müll. Allerdings tat das Remis hier weniger weh als die Niederlage gegen den IM zuvor, da mein Gegner nach der Partie sehr sympathisch war.
So macht’s halt trotzdem Spaß selbst wenn’s nicht so läuft.
Die letzte Chance für Weiß zu gewinnen.
Kb8? Kc8? oder doch Kc7?
Um einiges interessanter als meine Partie war jedoch die am Nebenbrett. Ich wurde wieder ein mal durch die Anwesenheit von FM „Ich-kau-Kaugummi-so-laut-wie-ich-will“ beehrt, der sich einem jungen Deutschen – vermutlich dem Lucky Luke des Figuren ziehens und des Uhr drückens – gegenüber sah.
Ich bin gerade nicht am Zug und sowieso völlig angeekelt von meiner Stellung, also lasse ich meine Blicke durch den Raum wandern und bleibe schlussendlich am Nebenbrett hängen. Interessante Stellung, Schwarz hat eine Figur geopfert und kommt dem weißen König gefährlich nahe. Könnte irgendwo ein Matt in der Luft liegen. Während ich gedankenversunken die Stellung begutachte ereignet sich ein für mich einmaliger Moment. In über 25 Jahren Turnierschach, mehreren hundert Turnieren und abertausenden Schachpartien habe ich folgendes noch nicht erlebt:
Lucky Luke greift seinen König mit der Hand und schlägt diesen mit einer Wucht gegen den gegnerischen Läufer, dass es durch den ganzen Spielsaal knallt – RUMMS. Nutzt dann den dadurch entstandenen Schwung des geschlagenen Läufers um in immer noch der gleichen Handbewegung die Uhr – natürlich ebenfalls begleitet mit einem ohrenbetäubenden Knall – zu „drücken“ und starrt seinen Gegner mit einem Blick an der nicht weniger als „was machschen jetzt, hä?!“ ausdrückt.
Entweder durch die kombinierte Wucht der beiden entstandenen Schallwellen oder der Absurdität der Situation völlig überrumpelt fällt FM Schmatzi Schmatz fast von seinem Stuhl, reißt dabei halb meine Kaffeetasse mit, in der sich natürlich seit etwa einer Stunde noch ein Schluck Kaffee befindet und die nun in einer kreiselnden Bewegung zwischen meinem Partieformular und meiner Uhr hin und her schwingt, und schaut hilfesuchend abwechselnd zu mir, sowie seinem anderen Sitznachbarn während er versucht mit den beiden noch am Boden befindlichen Stuhlbeinen seine Balance nicht zu verlieren. All das in nicht mal einer Sekunde. Zwei Züge später gab (un)Lucky Luke – der schneller als sein Schatten zieht – dann angesichts des drohenden Matts auf.
Lucky Luke – FM Unsympath
Stellung vor König massakriert Läufer h3
Ich hege leise die Vermutung, dass der geschlagene Läufer daraufhin nicht ganz fristgerecht seinen Dienst als Schachfigur quittierte und aufgrund der zurückgebliebenen Schäden bis auf weiteres in Frührente ging.
Sechster Tag, sechste Runde,
immer noch etwas geschockt ob dessen was sich da gestern neben mir abgespielt hatte, starten wir den Tag entschleunigend. Heutiges Ausflugsziel: Leuchtturm in Westkapelle. Zur Überraschung aller, und auch mir wird das jetzt erst beim Schreiben bewusst, liegt Westkapelle im Westen von Zeeland. Deutlich überraschender, dafür aber auch für den Bericht völlig irrelevant, liegt Oostkapelle nicht im Osten, sondern im Norden von Zeeland – tja, was sagt man dazu.
Gute 3 Kilometer hin zum Leuchtturm und dann wieder gute 3 Kilometer zurück zum Parkplatz, entlang des Meeres, vorbei am „Befreiungsdenkmal Westkapelle“, einem restaurierten Sherman-Panzer der im Jahr 1944 bei der Schlacht um Schelde im Einsatz war und auf dem heute Kinder lachend hoch und runter klettern. Eine für mich etwas absurde, wenn auch irgendwie schöne Situation. Geschichte zum anfassen. Dazu die schiere Anzahl an Fahrradfahrern, Drachensteiger und Möwen die kaum menschenscheu sind, den stetigen sanft sausenden Wind aus Meeresrichtung auf der Haut der gut gegen die Wärme der Sonnenstrahlen arbeitet und so eine in sich harmonische, gelassene und angenehme Atmosphäre bildet. Da hätte ich mich niederlassen können. Wer weiß, vielleicht irgendwann mal. Auf dem Rückweg gab es für Manuel noch Kibbelinge, im Grunde Backfisch in mundgerechten Häppchen, die einfach unfassbar lecker sind. Ich durfte probieren, glaubt’s mir, die sind geil.
Unseren täglichen Spaziergang hatten wir somit also schon mal hinter uns, dafür rannte die Zeit wie wild – nur noch knapp 3,5h bis zur Partie! Manuel hatte mit GM Leenhouts eine harte Nuss, war aber guter Dinge und hochmotiviert. In der 6. Runde zum ersten mal einen mit über 2000 Elo, und dann direkt ein GM am Livebrett. Leider lief die Partie nicht ganz so wie geplant, Varianten wurden vertauscht, die Klötzchen standen nicht da wo sie sollten und so musste Manuel seine erste Niederlage einstecken.
Ich bekam von alledem nicht ganz so viel mit, da ich nach gefühlt 10 Minuten bereits in einem komplett ausgeglichenen Turmendspiel feststeckte, welches ich irgendwie zu gewinnen versuchte und auf der Suche nach den Feinheiten einiges an Zeit reinsteckte. Aus dem ausgeglichenen Turmendspiel wurde zunächst ein Turmendspiel mit Mehrbauer und kurz darauf ein Damenendspiel mit Mehrbauer. Bereits um Zug 30 herum bemerkte ich, dass mein Gegner zunehmend nervöser wurde je länger die Partie andauerte. Ein gutes Zeichen wenn man darauf bauen muss, dass der Gegner irgendwann die Nerven verliert und auf dem Brett durchdreht. Als wir beide bei Zug 53 unsere Bauern in Damen umwandelten zeigte seine Uhr noch 40 Minuten, während meine nur noch 15 Minuten Bedenkzeit aufwies. In den folgenden Zügen, in denen wirklich rein gar nichts passierte verbrauchte er erschreckend viel Zeit, ehe er in Zug 70 seine Uhr auf unter 2 Minuten laufen ließ und schließlich die Geduld verlor. Er wollte die Stellung unbedingt konkret klären und nicht mehr nur abwarten. Aber so geht das manchmal leider einfach nicht.
8 Schachs später war sein g5-Bauer futsch und seine Hoffnungen die Stellung zu halten mit ihm. Er wirkte allerdings eher erleichtert endlich fertig zu sein, zumal wir die längste Partie der Runde hatten. Wäre er geduldig geblieben und hätte auf meine Gewinnversuche gewartet, hätte die Partie auch noch gut und gerne 100-150 Züge länger gehen können, keine Übertreibung. Wie bereits die meisten meiner Gegner, war auch er sehr sympathisch in der Analyse und mir tat es schon ein wenig Leid ihn so lange „gequält“ zu haben. Aber machste nix. Um Tarrasch zu zitieren „Alle Turmendspiele sind Remis“ und mit meiner eigenen Interpretation zu ergänzen: „bis auf die, die man verliert“ (Andy).
Stellung vor 70. … g5??
Tag 7,
entspanntes und entschleunigendes Frühstück als entspannter und entschleunigender Start in einen entspannten und entschleunigenden Tag. Nichts böses ahnend werden wir beim Brötchen auf den Teller manövrieren überfallen. Also nicht so wirklich überfallen, eher so metaphorisch überfallen. Minigolf!
Estelle und Simon schlugen vor den Mittag gemeinsam zu gestalten, mit Minigolf und anschließendem Essen. Wir sind dabei, los geht’s, auf nach Zoutelande, Klappe, die zweite. Inzwischen hatten wir uns auch mit Sonnencreme und After-Sun eingedeckt (zu einem erschwinglichen Preis in Oost-Souburg), so dass wir gut gewappnet gegen die Naturgewalten standhalten konnten.
Die 18 Bahnen waren verhältnismäßig sehr schwer, zumindest für uns 4 Amateur-Freizeit-Minigolfer die das vielleicht 1-2 mal im Jahr ohne große Ambitionen am Gelterswoog spielen. Trotzdem oder wahrscheinlich genau deshalb hatten wir einen riesigen Spaß dabei, zumal wir auch alle in dieser entschleunigenden Phase des Tages leicht über uns selbst lachen konnten. Gerade als das Wetter antäuschte Umschwenken zu wollen und die ersten Tropfen herunterkamen waren wir fertig und ehe wir im Auto saßen hatte sich der Himmel auch schon wieder beruhigt. Ein Phänomen das wir insbesondere an den ersten Tagen häufiger beobachten konnten – kurze Regenschauer von 5-10 Minuten, gefolgt von tückischem Sonnenschein der, wenn man nicht aufpasst, einem die Arme rötlich einfärbt.
Die Auslosung in der Nacht bescherte uns beiden wieder einen nominell schwächeren Gegner, böse ausgedrückt 2 Pflichtsiege müssen her, wenn das noch was werden soll.
Manuel konnte mit dem Druck sehr gut umgehen, gewann früh einen Bauern und wickelte dann professionell in ein Springerendspiel mit entferntem Freibauer ab.
Bei mir sah es da schon anders aus. Mein 14-jähriger Kontrahent wählte einen für mich überraschenden Partieansatz: Einen positionell angelegten Najdorf in einer eigentlich scharfen Varianten die er mit einem frühem Damentausch in ein strategisches Manövrierduell abflachen ließ. Ich war irritiert, so wie du jetzt nach dem Lesen des Satzes. Wieso? Weshalb? Warum? Ich fragte ihn nicht und blieb dumm.
In den strategischen Phasen der Partie überspielte ich ihn, nur um die kleinen Vorteile dann in den taktischen Phasen wieder wegzugeben. Glücklicherweise verbrauchte er viel Zeit in die strategischen Phasen, sodass ihm am Ende eben diese dann ausging und er die ironischerweise taktische Rettung für seine Stellung nicht mehr finden konnte.
Die zweite Partie in Folge bei der ich mich etwas schlecht fühlte gewonnen zu haben. Vor allem da ihm die Tränen in den Augen standen und er trotzdem noch äußerst höflich und nett mit mir interagierte. Großen Respekt auch an diesen jungen Belgier!
Wie rettet Weiß die Stellung?
08.08.2025,
vorletzter Tag, großes „Rahmenprogramm“, völliger Stress! Also erst mal gemütlich Frühstücken. 10 Uhr, Geschirr spülen, Müll wegbringen, Handtücher abgeben, Einkaufen gehen, Tag planen, 10:45 Uhr, alles erledigt, war das ein Stress! Daher erst mal entschleunigend auf den Liegestuhl und geschaut was mein heutiger Gegner, IM Beukema, so spielt.
Es ließ sich ein gewisses Muster erkennen, in taktisch angelegten Partien stellte er gerne mal was ein, in den strategischen Partien überspielte er regelmäßig GMs.
Da hatte Manuel die spontane Idee: „Spiel doch Schottisches Gambit! Schön 3. Lc4“
Klar, was kann schon schief gehen. Noch nie gespielt, weder mit Weiß noch mit Schwarz, keine Ahnung was da die Pläne sind, gegen einen nominell 250 Elo stärkeren Gegner mit Anzugsnachteil.
Ich bin dabei!
Youtube und Mega Database regeln. Ich fühlte mich wirklich gut vorbeireitet.
Wir beide am Livebrett, eigentlich ein großer Tag in der Mache.
Halten wir es kurz, zur Überraschung aller kam ich schnell in einer mir unbekannten Eröffnung in eine leicht schlechtere Stellung in der ich einige Möglichkeiten zum Ausgleich übersah und dann konnten meine Endspielkünste die Kuh halt auch nicht mehr vom Eis holen.
Freundlicherweise lobte mein Gegner meine zähe Verteidigung in der komplexen Stellung. Auch im weiteren Gespräch war er äußerst nett und zuvorkommend. Dafür haben sich die 450km Hinfahrt dann schon eher gelohnt, auch wenn es nicht für einen IM Skalp reichen sollte.
Manuel verwechselte in der Eröffnung die Varianten, so dass er etwas schlechter ins Mittelspiel kam. Konnte dann aber sein vorhandenes Wissen, sowie das fehlende Wissen seines Gegners in dem Stellungstyp schnell unter Beweis stellen. 4 Züge nachdem die Maschine +1 für den Gegner ausspuckte, sagte diese nun schon -1 und keine weiteren 10 Züge später war die Partie auch schon vorbei.
Tag 9,
der letzte Tag und da wir bereits um 10 Uhr das Zimmer geräumt haben sollten, mussten wir bereits eine halbe Stunde früher frühstücken und somit auch eine halbe Stunde früher aufstehen, nicht sonderlich entschleunigend! Dazu noch Partiebeginn um 11:30!, also quasi mitten in der Nacht, wenn man bedenkt dass es die letzten fünf Tage immer erst um 18:30 Uhr los ging.
Die Vorbereitung wurde auf den Albert Heijn Parkplatz verlegt und begrenzte sich für mich auf „Gegner spielt eigentlich immer 1. d4 Sf6 2. Lg5“, also habe ich mir da sämtliche Varianten zu Gemüte geführt. Ich setze mich ans Brett und mein Gegner haut 2. c4 raus… Supi!
„Der hat sich doch bestimmt meine Grünfeld-Partien gegen Matthias Lang aus den letzten beiden Saisons angeschaut. Immerhin hab ich die ausnahmsweise mal ordentlich nachbereitet und weiß jetzt wie es richtig geht.“ Ich habe die Partien also in guter Erinnerung und war richtig enthusiastisch meinem Gegner diesen Quark mit extra gegen mich 2. c4 zu spielen auszutreiben.
All das gedankliche hin und her, erinnern an die speziellen Zugfolgen, erinnern an die Feinheiten der Stellungstypen usw. nur um dann festzustellen, dass er auf das Theorieduell ja mal sowas von überhaupt gar keine Lust hatte und stattdessen einfach nur eine Variante gesucht hatte mit der er relativ leicht ein Remis abklammern kann. Trotz all meiner Anstrengungen und aufbrauchen all meiner verbleibenden Hirngrütze nach den 8 anstrengenden vorangegangenen Runden konnte ich den zwar vorhandenen und ganz ehrlich wirklich nicht großartig versteckten Weg zum Vorteil nicht finden. Da half die Zeitinvestition von 15 Minuten bei Zug 17, sowie weiteren 10 Minuten bei Zug 18 in der Summe dann im Endeffekt auch mehr meinem Gegner als mir selbst.
Witzig war dennoch, dass er bei längerem Nachdenken seinerseits zunächst ins murmeln und, so vermute ich, lamentieren geriet, ehe sich dann sein Gesichtsausdruck langsam aufhellte, die Mundwinkel dezent nach oben gingen, die Augen leicht anfingen zu strahlen und sich nach und nach ein Grinsen in seinem Gesicht ausbreitete, ehe er wieder ins vor sich hin nuscheln versank. Ich bin mir relativ sicher, dass er irgendwann auch mal ein „Du Sack“ ins lamentieren eingestreut hat. So interpretierte jedenfalls mein Hirn einen Abschnitt seines niederländischen nuschelns.
Am Ende übersah ich einen simplen Trick mit dem mein Gegner einen Bauern hätte gewinnen können oder aber die sicherer Zugwiederholung anstreben konnte und bot daher wenig begeistert, aber der Stellung angemessen professionell Remis bevor er noch auf dumme Gedanken kommt und plötzlich mehr als nur ein Remis will. „I offer“ da schnellte die Hand meines Gegners schon über das Brett „…a draw.“
SaZ erhält Vorteil
Nicht vorenthalten möchte ich euch, dass ich wieder ein mal den fast sympathischen FM neben mir sitzen hatte, der sich auch in der Schlussrunde nicht zu schade war durch fehlende Schach-Etikette aufzufallen.
Während ich versuchte die Nuancen meiner Stellung zu ergründen bemerkte ich hastiges Schuhe quietschen neben mir. Gerade als ich genervt von meinem Brett aufblickte und die Analyse meiner Stellung gegen die Analyse des Quietschens austauschte, mich also vergewissern wollte welcher Furz jetzt schon wieder quer steckt, sehe ich wie der FM einen Rucksack unter dem Tisch hervorzaubert, und in erneut halb sitzender, halb stehender Position die entfernt einem Kleinkind ähnelte das zum ersten mal selbstständig aufs Pöttchen darf und sich noch nicht so wirklich ganz sicher ist wie tief man mit dem Po runter muss, also mit einem leichten hoch und runter schwingen, reichte er den Rucksack über das Brett hinweg seinem Gegner. Die böse Welt hatte sich wieder ein mal gegen ihn verbündet und beschlossen seine Beinfreiheit durch einen strategisch günstig positionierten Rucksack einzuschränken. Was ich zunächst als FM-Rucksack interpretierte entpuppte sich also als FM-Gegner-Rucksack.
Natürlich blieb bei dieser Aktion eine der Laschen in der kleinen Spalte zwischen seinem und meinem Tisch stecken. Und so wehte die Lasche durch das wenig rhythmische, dafür umso energischer werdende Ziehen, nur wenige Millimeter entfernt von meiner, wer hätte es geahnt, Kaffeetasse gefüllt mit immer noch einem Schlückchen, und drohte eben diese Kaffeetasse beim gewaltsamen herausziehen umzuwerfen. Den Rucksack mit beiden Händen über dem Brett jonglierend, immer noch in Kacki-mach-Position saß/stand er nun da und war völlig überfordert wie er jetzt aus dieser Nummer wieder raus kommen sollte. Dass das alles auf meine sowieso schon geringe Restbedenkzeit ging war mir in dem Moment dann auch nicht mehr so wichtig und so „schoss“ ich erst mal ein imaginäres Bild von dieser Kuriosität bevor ich den Rucksack von seiner Eingeklemmtheit und den FM aus seiner beklemmenden Situation befreite.
Ich wusste, dass Schachspieler in freier Wildbahn zu exzentrischen Momenten neigen können, aber dass sie auch in ihrem natürlich Habitat zu solch einer Skurrilität im Stande sind, war mir neu.
Etwas geknickt, da durch das Remis in der letzten Runde das Turnier von okay zu eher schlecht abgewertet wurde, schlenderte ich zu Manuel. Manuel hatte meinen Gegner aus Runde 8, IM Beukema, vor sich und leider wieder in der Eröffnung die Züge verwechselt. Dieses mal kostete ihn das einen Bauern in einem eher positionell/strategischen Stellungstyp in der bekanntermaßen Beukema glänzt. Dieser ließ sich dann auch nicht mehr die Butter vom Brot nehmen, tauschte alle Klötzchen bis auf einen Turm ab und fuhr den Sieg ein.
Fazit:
In der Summe heißt das für uns -6,6 Elo (-5 für Manuel, -1,6 für mich).
Wir beide hatten 7 schwächere Gegner gegen die wir 6/7 und 5,5/7 holten (beide 0,25 Punkte über Erwartungswert).
Gegen die großen Jungs, IM De Winter, GM Leenhouts, 2x IM Beukema leisteten wir aber wenig bis gar keine Gegenwehr, zumindest in Anbetracht dessen was wir normalerweise zeigen können und was irgendwie auch unsere Erwartung an uns selbst war.
Dass wir mit 0 aus 4 gegen die IMs/GMs dastehen ist definitiv im Bereich des Erwartbaren, aber es wäre schön gewesen wenn die Jungs sich für die Punkte zumindest richtig hätten anstrengen müssen.
Das Turnier, die Uni welche die Lokalität zur Verfügung stellte, das Orga-Team, sowie unsere Unterkunft, die Umgebung, die Unternehmungsmöglichkeiten, die Restaurants usw. waren alle wirklich ausnahmslos gut bis sehr gut.
Einzig das etwas schwach besetzte Teilnehmerfeld an sich (Manuel an 25 gesetzt, ich an 34 bei 243 Teilnehmern) war für uns ein Ärgernis. Gegen die nominell schwächeren haben wir relativ solide gepunktet und trotzdem reichte es nur für jeweils 2 dicke Brocken. Am Ende steht zudem jeweils ein kleines, aber ärgerliches Elominus.
Unsere nominell ausgeglichensten Partien waren
Manuel: 2246 vs. 2089 und 2246 vs. 2403 (jeweils 157 Elo Unterschied)
Andy: 2148 vs. 2030 (118 Elo Unterschied)
Es gab also in allen unseren Partien immer einen klaren Favoriten, in 7 Partien mussten wir mehr oder weniger bedingungslos auf Gewinn spielen, in 2 Partien waren wir deutlicher Außenseiter.
In der Summe also ein Turnier, dass ich sehr gerne wieder mitspielen wollen würde. Allerdings erst wenn ich bei 2300+ angekommen bin oder das Turnier stärker besetzt ist. So war es aus rein sportlicher Sicht leider ein Reinfall für uns.
Lösungen:
Lösung Partie 1:
39. Df8 De6
40. Db4! 1-0
Lösung Partie 2:
36. fxe4! fxe4
37. Ke4 und Schwarz kann den Plan
Le1-d2-e3-c5 gefolgt von b5 nicht mehr stoppen
Lösung Partie 3:
40. Ld4! gewinnt den Springer.
z.B. 40. … Td8
41. Tb3 Te8
42. f6 nebst Kf7
Lösung Partie 4:
13. Db1 und 13. La3 halten die Initiative bei Weiß. 13. dxc5? erlaubt Lxc5 =
Lösung Partie 5:
nur 55. Kc7! gewinnt
z.B. 55. … Kd4
56. b7 Ta7
57. Kd6 Txb7
58. Txb7 e2
59. Tb1 und der weiße König ist schneller, auch Dank der Idee Kxg5 nebst h4
„Lösung“ Partie 6:
Damenschachs bis die Dame entweder f5 mit Schach nehmen kann oder den g5 angreift. Bei 50 Zügen Zeit hält nur eine Engine den Drohungen stand.
Lösung Partie 7:
51. Lxe4 Tb6
52. Te6! und Schwarz muss die Qualität für den b7-Bauern geben.
Lösung Partie 8:
19. Lf6 hält den Druck aufrecht.
z.B. 19. … Ld3
20. Te1 und entweder e4 oder d6 fällt mit völligem Ausgleich
Lösung Partie 9:
17. … Sxd4 (den darf man nehmen)
18. Lxd4 Lxd4
19. Tc7 Tab8
20. Sxd4 Txd4
21. f3 La6
22. Le2 Txd1+
23. Txd1 Tb7! (den hatte ich nicht gesehen)
und Schwarz entknotet sich langsam